Mal etwas zum Nachdenken:
Bei einem guten natürlichen Unterrichte müsste das Verhältnis zwischen dem Erzieher und seinen Zöglingen für die erste Schulzeit ganz dem zwischen Eltern und ihren Kindern gleichen. Ein familiärer Zug müsste im Verkehr herrschen, der erst mit der Zeit, mit dem Eintritt größerer Selbständigkeit, bei den Schülern bestimmtere, gemessenere Formen annehmen dürfte. Aber so weit sind wir noch nicht. Ja, die Schule wirft sogar ihre Schatten voraus und beeinflusst in ungünstiger Weise die Familienerziehung. Ganz abgesehen davon, dass schon vor der Schulzeit die unsinnigsten Übungen im Buchstabieren und Zählen getrieben werden, unterdrückt man die kindliche Lebendigkeit mit dem Begründen, dass das Kind nun bald in die Schule komme und sich also schon beizeiten an die dort herrschende Ruhe und Ordnung gewöhnen müsse. Das muss anders werden. Die Schule muss für die ersten Jahre die Freiheit und Ungezwungenheit des Familienlebens übernehmen. Das ist sie der Natur des Kindes schuldig. Sie soll eine Stätte sein, so sich das Kind als solches fühlen und geben darf.
Gefunden bei A. Gerlach, Von schönen Rechenstunden, 6. Auflage, Quelle & Meyer in Leipzig, 1922